Bericht: Equilibrium – Renegades-Tour – Essigfabrik Köln – 07.02.2020

Bericht: Equilibrium – Renegades-Tour – Essigfabrik Köln – 07.02.2020

Vier Bands, wie man sie eigentlich nicht zusammen auf Tour erwarten würde, aber mit einer gemeinsamen Mission: vereint in der Musik, vereint im Geiste, und eigentlich sind wir doch alle gleich. Dass das kein loses Versprechen ist, davon kann man sich derzeit auf der Renegades-Tour unserer deutschen Metal-Helden Equilibrium überzeugen. Die Altmeister des Genres haben sich nämlich drei weitere Bands dazu geholt, die im Line-Up erstmal überraschen: Oceans (Post Death Metal), Nailed to Obscurity (Melodic Death-Doom Metal) und Lord of the Lost (Dark Rock/Gothic Metal). Doch vielleicht war es auch gerade diese Mischung, die einen Konzertbesuch dieser Tour zu etwas Besonderem macht.

Am 07.02.2020 kam die Truppe nach Köln. Es war Tag 20 auf der Renegades-Tour, die sich quer durch Europa zieht. Die Musiker, vor allem Equilibrium und Lord of the Lost hatten also schon ein ordentliches Konzert-Pensum hinter sich. Das Konzert in Köln war zudem das vierte in der Woche und die Bands waren frisch aus den skandinavischen Landen eingeflogen. Man musste also darauf gefasst sein, dass eventuell Ermüdungserscheinungen auftreten könnten. Das hielt die Fans aber nicht davon ab, bereits eine Stunde vor Einlass an der Essigfabrik parat zu stehen. Auch solche, die kein Ticket für ein Meet&Greet hatten (und das weiß die Autorin so genau, weil sie selbst so früh vor Ort war). Man musste aufgrund der Bandauswahl aber auch eventuell mit relativ viel Andrang rechnen und wer vorne stehen wollte, kam lieber viel zu früh.

Bericht: Equilibrium - Renegades-Tour - Essigfabrik Köln - 07.02.2020

Zudem lohnte sich die frühe Anreise auch dann, wenn man alle vier Bands sehen wollte. Das Programm gerade zu Beginn war nämlich recht sportlich: Einlass 17:50 Uhr, Beginn 18:10 Uhr. Wer die Essigfabrik kennt, der weiß, dass sich der Einlass aufgrund der Enge am Tor schon mal etwas verzögern kann. Und bei vier geplanten Bands bleiben für die ersten beiden normalerweise nicht viel Spielzeit im Gesamtplan übrig.

Dies wurde dann beim Opener Oceans deutlich: die Essigfabrik war vielleicht gerade mal zur Hälfte gefüllt als die Jungs die Bühne betraten. Oceans ist eine sehr junge Band: gegründet erst 2018, gerade frisch ihr Debut-Album “The Sun and the Cold” am Start und noch nicht all zu viel Bühnenerfahrung, bricht mit dieser Tour viel Aufmerksamkeit auf sie ein. Und sie machten ihre Sache sehr gut. Die Kombination aus atmosphärisch, bisschen düstere Stimmung und kräftigen Riffs, dazu die eindringliche, emotionsgeladene Stimme von Sänger Timo Rotten überzeugte auf Anhieb und auch die Interaktion mit dem Publikum klappte so mehr oder weniger geschickt. Das „weniger“ im vorherigen Satz lag dann aber eher an der eben noch nicht gut gefüllten Halle und der Tatsache, dass die angereisten Equilibrium-Fans jetzt eher nicht so dem Post Death Metal zugeneigt sind. Der Applaus für Oceans zeigte aber, dass man sich direkt mit der Band angefreundet hatte und so kann man nur hoffen, dass man die Jungs öfters auf der Bühne zu sehen bekommt.

Wie bereits geschrieben, die ersten beiden Bands hatten nicht sehr viel Spielzeit und so verließen Oceans bereits nach 30 min die Bühne um Platz für den zweiten Support zu machen. Um 19 Uhr ging es weiter mit Nailed to Obscurity.

Bericht: Equilibrium - Renegades-Tour - Essigfabrik Köln - 07.02.2020

Die Band besteht bereits seit 2005 und kann auf vier Alben zurückblicken. Das neuste davon, „Black Frost“ erschien erst im letzten Jahr und ist das erste Album unter dem Label Nuclear Blast. Auch eher düster unterwegs, legten die Ostfriesen eine solide Show hin, die bei den Fans auf offene Ohren stießen. Sänger Raimund Ennenge wirkte zwar etwas wortkarg in der Kommunikation mit dem Publikum, aber erstens handelt es sich hier um Ostfriesen (und Norddeutsche sind in der Regel nicht sehr gesprächig) und zweitens hatten auch Nailed to Obscurity nur 30 min Zeit, um das Publikum von sich zu überzeugen. Das gelang ihnen mit ihrer Mischung als neuen und alten Songs aber auch sehr gut.

Man merkte dem Publikum allerdings an, dass es auf die folgenden zwei Bands wartete, die an Bekanntheit den beiden Support-Bands doch einiges Voraus haben. Und das äußerte sich direkt in der Menge an Publikum, die pünktlich zum Beginn des Sets von Lord of the Lost in der Halle zusammenkam. Es war voll. Und dass sich etliche Fans der Hamburger Jungs darunter befanden, konnte man bereits beim ersten Ton des Intros hören: es wurde mächtig laut.

Bericht: Equilibrium - Renegades-Tour - Essigfabrik Köln - 07.02.2020

Etwas ungewohnt war tatsächlich die Reihenfolge des Bühnenauftritts der Jungs: wie gewohnt erst mal Niklas und Gared, dann bereits Chris und erst zum Schluss Klaas und Pi. Outfit- und Make-Up mäßig war alles beim Alten: Aufwändig geschminkt, auffällig angezogen in glitzernden, eigenwilligen Outfits (viele der anwesenden weiblichen Fans wünschten sich wahrscheinlich Beine wie sie unser aller Lord in seinen Netzstrümpfen zur Show stellte), legten die Lords eine Show hin, die wie immer energiegeladen und Publikumsorientiert war. Viel Interaktion miteinander, viel Kommunikation Richtung Publikum und ein regelrechtes Sportprogramm auf der Bühne (Respekt vor den Squatjumps, Herr Harms) sind mittlerweile ein Markenzeichen bei ihren Auftritten. Leider, und das ist ein dickes fettes leider, das der Autorin ein bisschen im Herzen schmerzt, kamen weder Outfit, noch Make-Up so richtig zur Geltung, da die Lichtgestaltung doch etwas zu wünschen übrig ließ. So stand Klaas zumeist in seiner recht dunklen Ecke und konnte so wild wie eh und je durch den Raum fliegen und springen, man konnte es kaum sehen. Das ist man normalerweise anders gewohnt bei Lord of the Lost. Auch der Ton ließ etwas Luft nach oben und man meinte auch beim Gesang ab und an hören zu können, dass sich dieses Konzert nicht zu Beginn der Tour befand. Aber schlechte LotL-Konzerte gibt es nicht: selbst unter widrigen Umständen (man denke nur zurück an das letztjährige Amphi, bei dem ein wahres Unwetter zur lord‘schen Spielzeit vom Himmel brach) legen die Jungs eine hervorragende Show auf die Bretter. Und davon kann man sich dieses Jahr noch diverse Male überzeugen, unter anderem bei dem wahrscheinlich absoluten Highlight: der Tour mit Iron Maiden. Man darf sich freuen.

Auch wenn die Lords selbst auf Headliner-Touren Locations wie die Essigfabrik schnell zum Status „ausverkauft“ bringen sie können, waren sie diesmal nicht die Helden des Abends. Denn dieses Attribut stand nur einer Formation zu: den Metal-Altmeistern Equilibrium.

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Seit 20 Jahren begeistern die Mannen bereits die Metal-Szene mit ihrem selbsternannten Epic Metal. Mit „Renegades“ brachten die Mannen im letzten Jahr ihr 7. Album heraus, das es in die Top 20 der deutschen und schweizer Album Charts schaffte und damit mit nur minimal „schlechter“ abschnitt als der Vorgänger „Armageddon“. Mit „Renegades“ startete dann auch das Konzert. Auf Klargesang musste an diesem Abend aber verzichtet werden. „Wir sind alle krank“, erzählte Robse seinen Fans und er selbst könne keinen Klargesang. Machte aber nichts, es ging auch so (dem Hörensagen nach war der ein oder andere Fan eh nicht begeistert von Klargesang-Abschnitten auf dem Album). Und von Kranksein war eh überhaupt nichts zu merken: auf der Bühne herrschte pure Energie, die sich direkt auf das Publikum übertrug. Wall of Death, Circle Pit und Moshpit gehörten ab jetzt zum Standard-Bewegungsrepertoir des Publikums – von Anfang des Konzerts bis zum Ende! Ermüdungserscheinungen war bei den Fans nicht zu sehen und so fragte Robse zwischendurch nur absichernd, ob sich denn auch niemand verletzt hätte. Und da war keinerlei Belustigung in der Stimme, sondern wirklich Anteilnahme und vielleicht sogar leichte Besorgnis bei der Energie, die da vor der Bühne herrschte. Aber solange Sanitäter und Security noch völlig gechillt herum stehen, kann es ja auch nicht all zu schlimm sein. Auf der Bühne ging es derweil fröhlich durch die Musikgeschichte der Band. Das diese keine Berührungsängste mit in der Szene eher ungewöhnlichen Klängen hat (da tauchen Begriffe wie Elektronik und, noch schlimmer, Dubstep auf) zeigte sich bei diversen Songs, stieß aber offensichtlich auf hehre Begeisterung beim Publikum. Das hielt eh nur kurz inne, als die Band um 22:30 Uhr plötzlich die Bühne verließ. Und mit „plötzlich“ ist auch wirklich plötzlich gemeint. Es wurde dunkel, die Jungs waren weg. Natürlich kam es zu obligatorischen „Zugabe“-Rufen und natürlich gab es diese auch. Schließlich sei das bisher nur die „Aufwärmphase“ gewesen und nun ginge das Konzert erst richtig los. Manch einer fand es doch etwas traurig, dass das nicht der Wahrheit entsprach, aber da das ja abzusehen war, legte man sich für die letzte halbe Stunde nochmal so richtig ins Zeug und brachte die Essigfabrik zum Glühen, bevor dann doch leider irgendwann Schluss war. Aber irgendwann müssen die Fans ja auch wieder auftanken und ein bisschen Zeit musste ja auch noch eingeplant werden, um den Musikern noch über den Weg zu laufen und persönlich für diesen grandiosen Abend gratulieren zu können.

Vier Bands, wie man sie eigentlich nicht zusammen auf Tour erwarten würde, aber mit einer gemeinsamen Mission: vereint in der Musik, vereint im Geiste, und eigentlich sind wir doch alle gleich. Und es funktioniert.

Alle Galerien des Abends findet ihr, wie immer, in unserem Archiv. Wir können euch nur wärmstens ans Herz legen, da mal durchzuschauen.

Über den Autor

Nina Hermes

? Fotografin: Amselblick