Bericht: Unter schwarzer Flagge – Köln – 11.05.2019
Wenn sich an einem Samstag morgen im Mai bei strömendem Regen hunderte schwarzgewandete Menschen am Kölner Altstadt-Ufer einfinden, kann dies nur eines bedeuten: Vater Rhein ruft zu einer illustren Schifffahrt „Unter schwarzer Flagge“.
Nach dem großen Erfolg des letzten Jahres wurde auch 2019 das „Unter schwarzer Flagge“ Mini-Festival – die kleine Schwester des Amphi-Festivals – durchgeführt. Dass es wieder ein Erfolg werden würde zeigte sich daran, wie schnell diese Veranstaltung ausverkauft war. Wie hätte es auch anders sein können, lockte doch ein erwartbar herrlicher Tagesausflug mit einem exquisiten Line-up: Stahlmann, Mono Inc., Lord of the Lost und Project Pitchfork sollten für die richtige Stimmung sorgen (Achtung, Spoiler: und die übertrafen sämtliche Erwartungen).
Aber beginnen wir am Anfang: Um 11 Uhr sollte der Einlass auf das Schiff beginnen. Da jeder den besten Platz erwischen und deswegen möglichst schnell auf das Schiff wollte, war die Warteschlange eine halbe Stunde vorher schon recht lang. Trotz des Regens. Die Wetteraussichten waren allgemein nicht herausragend für den Tag, aber das schreckte eigentlich niemanden. Pünktlich wurden die Fans dann auf das Schiff gelassen, man verteilte sich zügig auf die verschiedenen Ebenen, inspizierte den Merch, den Gastrobereich und versorgte sich mit den ersten Getränken. Um 12 Uhr dann ging die Fahrt los und auch der Wettergott hatte ein Einsehen, denn der Regen wurde immer weniger und hörte schließlich gänzlich auf. So konnte man sich in Umbaupausen und bei Bands, für die man sich dann doch nicht so interessierte, auch auf dem Deck aufhalten.
Das musikalische Programm war nämlich mit seinen vier Bands doch recht vielfältig. Los ging es mit Stahlmann: die NDH-ler legten direkt mit dem Begrüßungssong „Willkommen“ los und heizten dem Publikum ordentlich ein. Dieses saugte jeden Song regelrecht in sich auf, donnerte „Adrenalin“ mit raus, ignorierte das „nicht“ in „Spring nicht“ und feierte die Stahlmänner. Innerhalb kürzester Zeit fing die MS Rheinenergie regelrecht an zu Beben ob der Feierlust der Fans. Stahlmann dankte dies mit einer sehr guten Show, die den Tag gebührend beginnen ließ.
Für den musikalischen Kontrast sorgten die folgende Band: die Szenegrößen Mono Inc. enterten die Bühne. Mono Inc. sind ein Phänomen. Man kann die Band mögen oder nicht, die Shows sind immer wieder genial, die Stimmung immer ein wahres Fest und die gesamte Atmosphäre emotional und familiär. Auch Mono Inc. starteten mit einer Begrüßung und ließen „Welcome to Hell“ durch das Schiff hallen. Und es hörte sich vom ersten Ton so an, als müsste Martin Engler gar nicht mehr singen, das Publikum war textsicher genug, das gesamte Konzert zu stemmen. Aber Martin half dann doch mit und so wurden vor allem Songs wie „Arabia“ und „Symphony of Pain“ im Chor gesungen. Wie bereits gesagt, die Shows von Mono Inc. sind irgendwie immer sehr emotional. Und so richtig deutlich wird dies bei Songs wie „Voices of Doom“: von hunderten von Stimmen getragen entfaltet der Song ein ganz eigenes Feeling, das niemanden unberührt lässt. Und auch die Szenehymne „Children oft he Dark“ steht dem in nichts nach. Da werden auch mal die Band-Mitglieder etwas emotional ob der Unterstützung der Fans.
Noch während die Fans minutenlang „Children of Dark“ intonierten, legte das Schiff in Königswinter an und die ersten verließen es für den ca. 3 stündigen Landgang. Es ergaben sich verschiedene Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben: man konnte auf dem Schiff bleiben, man inspizierte das idyllische Städtchen oder man begab sich auf den Drachenfels. Für die Bergsteiger gab es dann zwei Varianten: die meisten entschieden sich für die Bequemlichkeit der Zahnradbahn, die anderen wagten den Aufstieg zu Fuß. Wer sich für letzteres entschied war ca. 30 min unterwegs bis zu Spitze und wurde leider nicht mit dem ultra-romantischen Ausblick belohnt, aber der Rheinblick imponiert auch bei etwas diesigerem Wetter. Auf dem Hin- oder Rückweg kann man dann auch noch Zwischenstops im Schloss oder der Nibelungenhalle einlegen, alles ist empfehlenswert.
Ab 19 Uhr dann kamen so nach und nach alle Schifffahrer wieder zusammen, so dass pünktlich um 19:30 Uhr abgelegt werden konnte. Die kurze Panorama-Fahrt am Drachenfels wurde zwar wohlwollend aufgenommen, aber aufgrund des Wetters kam leider nicht so der absolute Wow-Effekte auf.
Für den sorgte aber die dritte Band des Tages. Es vorab schon irgendwie klar, dass es ausarten würde. Was sich dann abspielte, sprengte aber alle Erwartungen: Lord of the Lost zerlegten das Schiff. Trotz der bereits sehr langen Tour ließen sich keine Ermüdungserscheinungen bei den Jungs erkennen, im Gegenteil, die Shows werden gefühlt immer energiegeladener, immer brachialer und immer genialer. Die Jungs schienen extrem gut drauf zu sein und animierten auch das Publikum zu Höchstleistungen. Schon die ersten drei Songs „On this rock I will build my church“, “Lorelely” und “Morgana” ließen keinen Zweifel daran, dass dieses Set auf Power ausgelegt war. Aber auch „Dry the Rain“ und „Six feet underground“ durften nicht fehlen. Sportlich wurde es bei „Blood for Blood“ und es wäre schon interessant zu wissen, ob man von außen erkennen konnte, wie intensiv im Innenraum gesprungen wurde. Wirklich ruhig wurde es bei Lord of the Lost nicht. Dafür nochmal richtig laut, als sie ihren Auftritt mit „La Bomba“ beendeten.
Wer die Umbaupause auf dem Oberdeck verbrachte, der erlebte noch eine schöne Überraschung. Die Veranstalter hatten nämlich keine Kosten und Mühen gespart und hatten das Schiff rechtzeitig auf Höhe des Tanzbrunnens in Köln geschafft, um noch das dort stattfindende Feuerwerk mit ins Rahmenprogramm aufnehmen zu können. Das gab noch mal einen schönen entspannten Moment, bevor man mit der letzten Band des Tages zur Mitternacht tanzen konnte.
30 Jahre Bühnenerfahrung brachten Project Pitchfork mit auf die MS Rheinenergie. Damit wissen sie und vor allem Frontmann Peter Spilles nicht nur, wie sie das Publikum in windeseile in Bewegung bringen, sie können auch auf einen Song-Fundus zugreifen wie nicht viele andere Bands. Das macht Shows von Project Pitchfork immer wieder zu einem besonderen Ereignis, wenn es mit den Songs einmal quer durch die Jahre geht. Ob nun mit neueren Songs wie „Akkretion“ oder älteren wie „Terra Incognita“, Project Pitchfork brachten das Schiff zum Tanzen. Das Publikum sang nicht nur einfach mit, es tanzte sich nahezu in Trance, feierte seine Band uns gab noch mal alles an Energie, was nach diesem langen Tag übrig war. Peter Spilles nahm dies nicht einfach nur kommentarlos hin, er bedankte sich für diese Leidenschaft seiner Fans. Im Gegensatz zu vorangegangen Bands beendete er sein Set aber nicht mit einem Kracher. Eine Textzeile wie „You are like the ocean, and I’m like the moonlight” passte aber auch zu wunderbar in diesem Moment, und so ging dieser Tag zu den Klängen von “Jupiter” zu Ende.
„Unter schwarzer Flagge“ ist ein ganz besonderes Event. Auf dem Schiff entfaltet sich eine ganz eigene Atmosphäre durch die unmittelbare Nähe zwischen Bands und Fans. Dazu kommt eine hervorragende Organisation, leckeres Essen und natürlich fantastische Musik.
Und wie das nun mal so ist, wenn es am schönsten ist, dann kann es auch weiter gehen. Und zwar am 09.05.2020 mit Oomph!, Die Krupps, Eisfabrik und Ost+Front. Aber schnell sein: die Tickets werden sicher schnell weg sein.
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